die Silvia schreibt
Im Sommer 2023, auf einer finnischen Terrasse mit Blick auf den angrenzenden See, habe ich das Schreiben wiederentdeckt. Seither begleiten mich meine Füllfedern auf Schritt und Tritt. Nach meiner Brustkrebserkrankung versuche ich, mich Aspekten des Lebens, die in unserer Gesellschaft mit Scham und Tabus besetzt sind, auf meine Art anzunähern: Zart und humorvoll. Mit bunter Tinte auf recyceltem Papier setze ich mich mal lustvoll, mal rotzig mit den Zumutungen unserer menschlichen Existenz auseinander. Ich scheue nicht davor zurück, Fragen zu stellen und so meinem eigenen Erleben, meinen Mitmenschen und der Welt ein Stück weit auf die Spur zu kommen. Mit Lupe und Liebe für skurrile Details überrasche ich mich beim Schreiben oft selbst – und finde unerwartete Antworten auf die kleinen und großen Fragen des Seins.
Ausschnitte aus meinem Text
„Mit ohne Bruno“
in der Kolik #101 – Zeitschrift für Literatur (Seite 112-122)
„Ich wache aus der Narkose auf, mit Stützstrümpfen und in einem der Krankenhauskittel, für die es weltweit nur einen Designer geben dürfte. Mir ist kalt. Wo ist meine Brille? Die Welt um mich ist verschwommen und unangenehm hell. To hell – and back? So lassen sich meine letzten Monate zusammenfassen.“
„Mit verschwitzten Fingern stehe ich an der Weggabelung und halte die Schnur eines roten heliumgefüllten Herzluftballons. Mein Puls rast. Meine Partnerin Caro und ich sind raus zu den Feldern spaziert. (…) Ich schaffe es nicht. Ich will das nicht. Warum tut sie mir das an? Können wir nicht einfach umkehren? Dabei ist die Sache mit dem Luftballon so eine schöne Idee. Seit Tagen erinnert mich Caro daran, ihn steigen zu lassen. Gleich neben meinem Wunsch hat sie geschrieben, wie sehr sie mich liebt. Ich will uns den Tag nicht versauen. Nicht schon wieder. Ich habe sechs Chemos hinter mir und meine Brüste verloren. Was ist schon dabei, die Schnur eines Herzluftballons loszulassen?
„Bruno und ich sind seit 15 Jahren zusammen. Er behauptet, mein Freund zu sein, doch unser gemeinsames Leben gestaltet sich schwierig. Caro kann ihn nicht leiden.“
„Wir sind auf der Autobahn, die Landschaft rast an uns vorbei. Mich schmerzt der straff über meine Wunden gespannte Sicherheitsgurt. War es die richtige Entscheidung, keinen Wiederaufbau zu machen? „Psychisch ist das schon schwer.“ Immer wieder höre ich die Worte des plastischen Chirurgen in meinem Kopf.“
„Es war nicht meine einzige eigenartige Frage an diesem Tag.“

